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Pressespiegel
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20. Februar 2023   Eine Liebe, die auf der Leinwand nicht so recht zünden will
    Berlinale-Filmkritik: "Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste"
 
  [...] Die Liebesbeziehung von Ingeborg Bachmann und Max Frisch dauerte von Juli 1958 bis März 1963. Es war eine toxische wie intensive und leidenschaftliche Verbindung. Dass sie sich nicht guttun werden, ahnen beide schon zu Beginn. Aber es zu lassen, kommt auch nicht infrage. Darin sind sie sich einig, als sie bei einem ihrer ersten Treffen spazieren gehen.
Wie macht man einen Film über eine derartig mythenumrankte Liebesgeschichte zweier berühmter Schriftstellerpersönlichkeiten? [...] Der Film könne auf zwei Arten interpretiert werden, erklärt von Trotta auf der Pressekonferenz (...). "Es ist erst mal die Reise in die Gefühlswüste mit Frisch, und dann in die Wüste, die sie erlöst. Sie kommt ganz schwach in der Wüste an, von diesem Trauma, dass Frisch sie verlassen hat, und zum Schluss hat sie sich befreit und fühlt sich erlöst. Und andererseits ist da die Liebesbeziehung, die normal anfängt und dann immer mehr Tragik entwickelt. Diese beiden Bewegungen treffen sich im Film."[...] Margarethe von Trotta setzt bei ihren Dialogen vielfach auf Zitate aus Briefen, Werken und Interviews. Die Dialoge klingen dadurch häufig wie ausgestellt – mag sein, dass das beabsichtigt ist, um zu betonen, dass wir es hier mit einem Mythos zu tun haben, den auch dieser Film nicht auflösen kann. Aber oft wirkt das leider hölzern und leblos, manchmal – gerade in der ersten Hälfte des Films - sogar unfreiwillig komisch. [...] Je weiter die Beziehung voranschreitet und je tiefer die Wunden werden, desto glaubhafter bringen Vicky Krieps und Ronald Zehrfeld dieses Ringen auf die Leinwand, desto mehr wird die Unmöglichkeit ihrer Beziehung greifbar. Vieles aber wird in diesem teilweise doch zähen Film vor allem behauptet, aber nicht mit Leben gefüllt.
Insgesamt bleibt das neue Werk von Margarete von Trotta hinter den Erwartungen zurück und wird der komplexen Beziehung von Frisch und Bachmann nicht ganz gerecht.
  Nadine Kreuzahler [1]
   
   
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17.10-.2023   Ermüdend und langweilig
    Margarethe von Trotta scheitert an "Ingeborg Bachmann"
   
    Ingeborg Bachmann und Max Frisch waren fast vier Jahre zusammen – eine Zeit, die Bachmann im Nachhinein als „Verwüstung“ bezeichnen wird oder als „jahrelange Todesgefahr“. Das Lachen zurückgebracht hat ihr nach eigenen Aussagen damals eine Reise nach Ägypten, die sie 1964 nach der Trennung von Frisch mit ihrem Freund Adolf Opel unternahm. Margarethe von Trotta erzählt in „Reise in die Wüste“ die toxische Beziehung der beiden Schriftsteller in Rückblenden. [...] Dabei grast sie sämtliche erstarrte Legenden über die Beziehung ab, die Literaturdetektive aus beider Werke dazu herausgelesen haben wollen. Das spontane Kennenlernen in Paris, Bachmanns Umzug nach Zürich, seine hämmernde Schreibmaschine, ihre Schreibblockade, sein bürgerliches Frauenbild. [...] Auch die zerstörerische Eifersucht von Max Frisch wird immer wieder aufgegriffen, wenn er wissen will, von wem die Blumen auf dem Tisch sind, wenn Bachmann stundenlang telefoniert oder auf Lesungen mit ihm unbekannten Männern spricht. „Ingeborg Bachmann: Reise in die Wüste“ ist ein ermüdender, ein langweiliger Film, der nichts Besseres zu tun hat, als sich von einer Schriftstelleranekdote zur nächsten zu schleppen.
  Eva Marburg [2]
   
Filmstarts.de"      
Berlinale
(16. - 23. Februar 2023)
  Ingeborg Bachmann - Reise in die Wüste
    Vom Verstummen eine der ganz großen Autorinnen
   
    [...] Margarethe von Trottas Biopic „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ ist nur bedingt ein Film über die Schriftstellerin Ingeborg Bachmann (Vicky Krieps), dreht er sich doch eher um ihr Verstummen. Dieses nimmt seinen Anfang in der Begegnung mit dem Schweizer Autoren Max Frisch (Ronald Zehrfeld). Der hatte ihr einen Fanbrief geschrieben, nachdem er Bachmanns Hörspiel „Der gute Gott von Manhattan“ gehört hatte – und die erste Begegnung mündet in einem langen Spaziergang, einer leidenschaftlichen Romanze und schließlich dem zum katastrophalen Scheitern verurteilten Versuch einer Ehe… [...]
„Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ ist die Chronik einer gescheiterten Künstler*innenbeziehung, denn er [der Film, RB] spielt von vornherein auch im Danach. Die titelgebende Reise nach Marokko [sic!] unternimmt Bachmann nach der Trennung von Frisch gemeinsam mit dem Autor Adolf Opel (Tobias Resch) – und zwar auf Anraten ihrer ärzte, da Beziehung und Trennung für Bachmann derart existenzielle Krisenerfahrungen bedeuteten, dass sie in deren Folge mehrfach hospitalisiert wurde. [...]
Von Trottas Film ist im Grunde eine recht werkgetreue Adaption – allerdings nicht eines literarischen Werkes, sondern einer erst weit nach Bachmanns Tod veröffentlichten Sammlung von Briefen und Traumnotaten. Als „Aufzeichnungen aus der Zeit der Krankheit“ erschien diese 2017 im Suhrkamp Verlag. Die Reaktionen gerieten durchaus kontrovers, war die Schriftstellerin Bachmann doch Zeit ihres Lebens auf den Schutz ihrer Privatsphäre bedacht, während dieser Band, unter anderem mit dem Abdruck an ihre behandelnden ärzte gerichteter Texte, tatsächlich noch das denkbar Privateste öffentlich machte, um Bachmanns Lebens-, Beziehungs- und Werkgeschichte als klinischen Fall zu rekonstruieren.
Die Geschichte eines weiblichen Schreibens (und Verstummens) als Krankheitsgeschichte – eine Lesart, der sich Bachmann zu Lebzeiten vielleicht widersetzt hätte, zu der sie aber gleichzeitig auch immer wieder eingeladen hat: Während Frisch seine Frau, wie alle Menschen in seinem Leben, stets auch als Fallstudie begriff und zum Material seines Schreibens machte – wenig schmeichelhaft etwa verewigt in seinem Roman „Mein Name sei Gantenbein“ –, empfand Bachmann selbst diese Exponiertheit ihrer angesichts von Frischs Schreiben nur vermeintlich privaten Beziehung als tiefen Vertrauensbruch. Somit sind es auch Ideen davon, was Literatur und Kunst sollen, dürfen und müssen, die hier in Gestalt von Bachmann und Frisch stellvertretend miteinander ringen. [...]
Fazit: Ein biederer Film über eine bedeutende Autorin und faszinierende Frau. Margarethe von Trotta erzählt die Künstler*innenbeziehung zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch als exemplarische Geschichte des Verstummens einer großen Schriftstellerin angesichts der Toxizität der heterosexuellen Zweierbeziehung, bleibt dabei jedoch leider durchweg an der Oberfläche und im Klischee stecken. So entsteht ein zwar recht werkgetreuer, aber viel zu mittelmäßiger Film über eine ganz und gar nicht mittelmäßige Protagonistin.
  Jochen Werner [3]
taz    
23.10.2023     Tableaus einer Beziehung
      In „Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste“ umkreist Margarethe von Trotta
      die Beziehung der Dichterin zu Max Frisch. Gerecht wird sie ihr damit nicht.
     
      [...] Von Trottas Biopics über Hannah Arendt und Rosa Luxemburg hatten durchaus auch die privaten Seiten der Porträtierten gezeigt, aber diese Aspekte nicht in den Vordergrund gestellt. Es ließe sich einwenden, dass im Falle von Ingeborg Bachmann das Privatleben, also geglückte oder unglückliche Lieben, durchaus einen großen Einfluss auf ihr Werk hatte. Aber dieses Werk selbst kommt im Film nur am Rande vor; und die Bachmann, die er porträtiert, wird allen, denen ihr schriftstellerisches Werk bislang eher unvertraut war (oder wird vorausgesetzt, dass solche Menschen diesen Film ohnehin nicht sehen würden?), vor allem als ziemlich kapriziöse Schönheit in Erinnerung bleiben, die gern Italienisch sprach, von Max Frisch unglücklich gemacht wurde und vielleicht unbewusst unter ihrer Kinderlosigkeit litt.
Dass die Dichterin irgendwann der Lyrik abgeschworen hat, wird zwar wiederholt thematisiert, auch der große Erfolg von „Der gute Gott von Manhattan“ wird deutlich. Aber dass gerade dieses Hörspiel Frisch so begeisterte, dass er der Autorin einen Brief schrieb und sie unbedingt treffen wollte – das lässt sich als Aha-Information im Presseheft nachlesen –, bleibt im Film außen vor.[...] Und ist es nicht eigentlich von großer Bedeutung für die Beziehung der beiden, dass Frisch dieses Treffen absichtlich herbeigeführt hatte? Und dann stellt sich die Frage, wie weit man in der Fiktionalisierung des Liebeslebens von Menschen gehen will, die für doch recht viele der heute noch lebenden ZeitgenossInnen waren. Von Trotta scheint einen Zwischenweg zu versuchen: nicht zu nah heranzugehen, aber die wichtigsten Konfliktstellen deutlich genug herauszuarbeiten. Das Ergebnis ist ein ziemlich tableauhaftes, oft geradezu statisches Bebildern von Szenen einer Beziehung. Wenig Bewegung und nur sehr sparsam inszenierte Emotion wird gezeigt, die Dramaturgie scheint in der Aneinanderreihung von Schlüsselmomenten zu bestehen.Ein erzählerischer Drive sieht anders aus; aber worin die Probleme bestehen, versteht man immerhin gut. Sie sind nicht kompliziert, nur vielfältig. Er nennt sie „mein Mädchen“, will von ihr bekocht werden, ist aber neidisch auf ihre größere künstlerische Bedeutung, die er andererseits fraglos anerkennt. Sie fühlt sich von ihm nicht als gleichberechtigt angenommen, ist genervt von seinem Schreibmaschinengeklapper (sie selbst schreibt von Hand) und sehnt sich nach Rom, zieht aber trotzdem zu ihm nach Zürich. Später, nun in Rom, fühlt er sich außen vor, mag kein Italienisch lernen und wirft ihr vor, die Diva zu spielen. Er will mehr Nähe, sie entzieht sich. Es klappt einfach nicht. Nach dem Scheitern der Beziehung rettet die Dichterin sich auf eine Reise in die Wüste mit einem jungen Mann. [...] Und was soll eigentlich die Wüste? Sie stellt eine dankbare, nicht zuletzt sehr fotogene filmische Metapher für alles dar, was in einer Beziehung unerfüllt geblieben ist. Aber gerade, weil diese zeichenhafte Absicht so überdeutlich durch die Bilder hindurchscheint, ist der Effekt eher bedeutungshuberisch als poetisch.
      Katharina Granzin [4]


Information zu dieser Seite: Zeichenerklärung:NavigationshilfeNavigationshilfeForum-LinkForum-Seite(n)Externer LinkExterner Link
   
[1] © rbb24, Sendung: Abendschau, 20.02.2023, 19:30 Uhr; Beitrag: Nadine Kreuzthaler
[2] © SWR2, Sendung: Di., 17.10.2023 6:00 Uhr, SWR2 am Morgen, Beitrag: Eva Marburg
[3] © filmstarts.de, Beitrag: Jochen Werner; der Film wurde im Rahmen der Berlinale 2023 gesehen und als "durchschnittlich"
   bewertet.
[4] © taz Beitrag: Katharina Granzin; Kultur/Film 23. 10. 2023, 18:38 Uhr
    © Ricarda Berg, erstellt: Januar 2024, letzte Änderung: 18.01.2024
http://www.ingeborg-bachmann-forum.de - E-Mail: Ricarda Berg