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Pressespiegel
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14. Dezember 2021   Hier der Vater ein Mitglied der NSDAP, dort die jüdische Familie
    Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger hätten gegensätzlicher kaum sein können. Trotzdem suchten sie die innige Freundschaft – bis zum stillen Ende.
 
  Die fünfziger Jahre haben das Fräuleinwunder erfunden, aber das Feuilleton der «Zeit&lrquo; hat das Wort im Jahr 1999 endg¨ltig versenkt. Als Blähgeräusch des machistischen Kulturbetriebs wehte es durch einen Artikel, in dem es um die Literatur von jungen Frauen ging. Das konnten die alten Zeiten besser. Es waren die Jahre 1952 und 1953. Erst bekam Ilse Aichinger den Preis der Gruppe 47, dann Ingeborg Bachmann.
  Paul Jandl [1]
   
   
   
14.10.2021   "Manchmal könnt ich auch heulen"
    Sie waren beide weibliche Stars der deutschsprachigen Nachkriegsliteratur:
Erstmals liegt der Briefwechsel von Ilse Aichinger und Ingeborg Bachmann vor.
   
    [...] Die Schlüsselfigur für ihr erstes Zusammentreffen im Jahr 1947 war der – heutzutage möglicherweise unter MeToo-Verdacht stehende – Wiener Autor Hans Weigel, damals 39 Jahre alt. Der väterliche Geliebte Ingeborg Bachmanns war ein literaturpolitischer Allrounder, der sich um die Publicity und die Verlagskontakte für die beiden Nachwuchsautorinnen kümmerte und später diskret im Hintergrund die Strippen zog, um seine Favoritinnen in einer Titelgeschichte des Spiegels zu platzieren (ursprünglich sollten Bachmann und Aichinger gemeinsam auf den Titel, es landete dann aber Bachmann mit coolem Kurzhaarschnitt und verhangenem Blick im Jahr 1954 allein auf dem Spiegel-Cover). Ingeborg Bachmann, so berichtet Hans Weigel in seinen Erinnerungen, habe die Nähe der fünf Jahre älteren Ilse Aichinger von Anfang an bewundernd gesucht.
F¨r Bachmann, die in der Gruppe 47, dem exklusiven Herrenclub der westdeutschen Nachkriegsliteratur, bald das Rollenfach der strapaziösen und menschenscheuen Diva besetzen sollte, war die Außenseiterin Ilse Aichinger eine schwesterliche Verbündete, der sie nichts vormachen musste – eine "aus dem Stoff, aus dem ich gemacht bin", wie es in Bachmanns Erzählung Ein Schritt nach Gomorrha heißt, in der sie die Besonderheit der Liebe zwischen zwei Frauen auslotet. Die junge Philosophiestudentin aus dem tiefbraunen Klagenfurter Reihenhaus wurde von Aichinger, ohne zu zögern, zu einem geliebten Mitglied ihrer Familie befördert.
  Iris Radisch [2]
   
Deutschlandfunk"      
01. November 2023   „Mich wundert, dass sich niemand wundert“
    Ilse Aichinger - Anlässlich ihres 100. Geburtstags, der am 1. November gewesen wäre, würdigen verschiedene Neuerscheinungen die Schriftstellerin.
   
    [...] Das Ich eines Autors aufzufinden, das versprechen üblicherweise Briefe. Ein weiterer Briefband dokumentiert die Beziehung zwischen dem Paar Ilse Aichinger-Günter Eich und Ingeborg Bachmann. Während die Zwillinge einen Abgrund erzwungenen Schweigens zu überbrücken suchen, begleitet diese Korrespondenz eine gelebte Freundschaft. Hier erscheint Aichinger im privaten Alltag innerhalb ihrer Familie, in die Bachmann als „dritter Zwilling“ aufgenommen wird, und übernimmt vornehmlich die Rolle der Tr&öumlsterin und Ratgeberin. Ilse, vertraut mit der äußersten Verlassenheit, versichert schon im ersten Brief der von Alltagsnöuml;ten geplagten Freundin Inge, „daß ich es mit Dir teile und das für wichtiger halte als vieles von dem Wirbel und dem Betrieb, den ich für gefährlich halte, sobald er einem keine Zeit mehr lässt Heimweh zu haben und diese Verlassenheit zu spüren, die mit uns allen identisch ist und die auf der anderen Seite den Glanz ausmacht, wenn wir ihn auch selbst in diesem Augenblick nicht sehen.“ Allmählich werden Bruchlinien deutlich: Vom Literaturgetriebe, von dem sich Aichinger distanziert, lässt sich Bachmann zusehends einnehmen, und ihre pers&&öuml;uml;nlichen Krisen nehmen der Freundschaft den Raum. Sie zeigt sich verletzt über ein „Wir“ Aichingers, das Günter Eich einschließt. Spätestens als aus ihr und Max Frisch ein „Wir“ wird, verebbt der Briefwechsel. Wie tief auch die literarische Kluft ist, erweist sich Jahrzehnte später, als Ilse Aichinger, 82jährig, Bachmanns Begriff der „Todesarten“ in Frage stellt: Er sei falsch wie das meiste, was sie geschrieben habe. Über ihr eigenes Schreiben verliert Ilse gegenüber Inge kaum ein Wort. Es findet sich lediglich eine Andeutung an die „Maulwürfe“ getauften Prosagedichte, die sie später unter dem Titel „Kurzschlüsse“ ordnete. Sie arbeite, heißt es 1954 bündig, „an immer kürzeren Versuchen, die man auch nicht mehr Geschichten nennen kann. Das nächste werden wahrscheinlich Seufzer sein, um es noch kürzer zu machen.“
  Dorothea Dieckmann [3]
FAZ    
23.10.2023     Ich käme jetzt gern, um Dich zu trösten
      Ein Wunder, dass diese Freundschaft so lange Bestand hatte:
Der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Ilse Aichinger verrät viel über weibliches Schreiben in der Nachkriegszeit.
     
      [...] Von Trottas Biopics über Hannah Arendt und Rosa Luxemburg hatten durchaus auch die privaten Seiten der Porträtierten gezeigt, aber diese Aspekte nicht in den Vordergrund gestellt. Es ließe sich einwenden, dass im Falle von Ingeborg Bachmann das Privatleben, also geglückte oder unglückliche Lieben, durchaus einen großen Einfluss auf ihr Werk hatte. Aber dieses Werk selbst kommt im Film nur am Rande vor; und die Bachmann, die er porträtiert, wird allen, denen ihr schriftstellerisches Werk bislang eher unvertraut war (oder wird vorausgesetzt, dass solche Menschen diesen Film ohnehin nicht sehen würden?), vor allem als ziemlich kapriziöse Schönheit in Erinnerung bleiben, die gern Italienisch sprach, von Max Frisch unglücklich gemacht wurde und vielleicht unbewusst unter ihrer Kinderlosigkeit litt.
Dass die Dichterin irgendwann der Lyrik abgeschworen hat, wird zwar wiederholt thematisiert, auch der große Erfolg von „Der gute Gott von Manhattan“ wird deutlich. Aber dass gerade dieses Hörspiel Frisch so begeisterte, dass er der Autorin einen Brief schrieb und sie unbedingt treffen wollte – das lässt sich als Aha-Information im Presseheft nachlesen –, bleibt im Film außen vor.[...] Und ist es nicht eigentlich von großer Bedeutung für die Beziehung der beiden, dass Frisch dieses Treffen absichtlich herbeigeführt hatte? Und dann stellt sich die Frage, wie weit man in der Fiktionalisierung des Liebeslebens von Menschen gehen will, die für doch recht viele der heute noch lebenden ZeitgenossInnen waren. Von Trotta scheint einen Zwischenweg zu versuchen: nicht zu nah heranzugehen, aber die wichtigsten Konfliktstellen deutlich genug herauszuarbeiten. Das Ergebnis ist ein ziemlich tableauhaftes, oft geradezu statisches Bebildern von Szenen einer Beziehung. Wenig Bewegung und nur sehr sparsam inszenierte Emotion wird gezeigt, die Dramaturgie scheint in der Aneinanderreihung von Schlüsselmomenten zu bestehen.Ein erzählerischer Drive sieht anders aus; aber worin die Probleme bestehen, versteht man immerhin gut. Sie sind nicht kompliziert, nur vielfältig. Er nennt sie „mein Mädchen“, will von ihr bekocht werden, ist aber neidisch auf ihre größere künstlerische Bedeutung, die er andererseits fraglos anerkennt. Sie fühlt sich von ihm nicht als gleichberechtigt angenommen, ist genervt von seinem Schreibmaschinengeklapper (sie selbst schreibt von Hand) und sehnt sich nach Rom, zieht aber trotzdem zu ihm nach Zürich. Später, nun in Rom, fühlt er sich außen vor, mag kein Italienisch lernen und wirft ihr vor, die Diva zu spielen. Er will mehr Nähe, sie entzieht sich. Es klappt einfach nicht. Nach dem Scheitern der Beziehung rettet die Dichterin sich auf eine Reise in die Wüste mit einem jungen Mann. [...] Und was soll eigentlich die Wüste? Sie stellt eine dankbare, nicht zuletzt sehr fotogene filmische Metapher für alles dar, was in einer Beziehung unerfüllt geblieben ist. Aber gerade, weil diese zeichenhafte Absicht so überdeutlich durch die Bilder hindurchscheint, ist der Effekt eher bedeutungshuberisch als poetisch.
      Sandra Kegel [4]


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[1] © Neue Zürcher Zeitung, Autor: Paul Jandl, 14.12.2021, auch online verfügbar
[2] Rezension: Iris Radisch, ZEIT Nr.: 42/2021, auch online verfügbar
[3] © Deutschlandfunk Archiv, Beitrag: Dorothea Dieckmann, auch online verfügbar
[4] © FAZ Artikel: Sandra Kegel, auch online verfügbar
    © Ricarda Berg, erstellt: Oktober 2025, letzte Änderung: 20.10.2025
http://www.ingeborg-bachmann-forum.de - E-Mail: Ricarda Berg