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Andrea Kresimon

Ingeborg Bachmann
und der Film

Mit den eigenen Drehbuchprojekten Ingeborg Bachmanns hat sich die Forschung bislang nicht auseinandergesetzt. Insgesamt liegen nur vereinzelte literaturwissenschaftliche Arbeiten zu Drehbuchtexten vor - was sich vordergründig damit begründen ließe, daß Drehbücher verhältnismäßig selten in publizierter Form greifbar sind. Dieser Umstand hat aber wiederum darin seinen Grund, daß Drehbuchtexten nicht der Status eines literarischen Kunstwerks zugestanden wird. Da das Drehbuch im Hinblick auf eine Verfilmung entsteht und sich der Autor an den Parametern der filmischen Umsetzbarkeit und eventuell auch an produktionstechnischen Gegebenheiten orientieren muß, wird dieser pragmatische Aspekt als kennzeichnend für die Gattung verstanden und das Drehbuch von keiner Disziplin als autonomes Kunstwerk akzeptiert:

Das Drehbuchschreiben ist immer betrachtet worden als eine nur technische Vorstufe der Filmrealisierung, als eine notwendige, aber nicht eigenständige Prozeßstufe im Ablauf der Herstellung eines Kinospielfilms. Es wurde aufgefaßt als ein Schreiben, das nicht zu sich selbst kommt.

Da das Drehbuch auf eine filmische Realisation hin angelegt ist, findet auch hier teilweise der Begriff der ‚filmischen Schreibweise' Anwendung, der sich auf die Verfilmbarkeit des Textes bezieht - gleichzeitig wird mit diesem Begriff aber auch die Sonderstellung gekennzeichnet, die das Drehbuch zwischen den Medien Literatur und Film einnimmt, welche wiederum dazu führt, daß das Drehbuch weder als literarische noch als filmische Gattung begriffen wird.
Einen ersten Hinweis darauf, daß das Drehbuch unter intermedialen Aspekten betrachtet werden sollte, liefert Franz-Josef Albersmeier. In der Auseinandersetzung mit den Drehbuchprojekten Bachmanns soll diesem Hinweis im folgenden nachgegangen werden. Zu fragen ist, ob sich das Drehbuch als intermediales Kunstwerk beschreiben läßt - also als ein Artefakt, das Elemente verschiedener Medien zusammenführt. Der Schwerpunkt der Analyse liegt unter produktions-ästhetischen Aspekten auf der Auseinandersetzung mit dem Prozeß des Drehbuchschreibens.
Soweit rekonstruierbar, hat Bachmann mindestens drei Konzepte für Drehbücher entwickelt. Wie im weiteren erkennbar werden wird, haben ihre Arbeiten dabei jeweils unterschiedliche Stadien erreicht. In allen drei Fällen geht die Autorin von bereits geschriebenen eigenen Texten aus - einmal von der unvollendeten Erzählung Portrait von Anna Maria, zum zweiten von dem Hörspiel Der gute Gott von Manhattan und im dritten Fall von der Erzählung Ein Wildermuth aus dem Erzählband Das dreißigste Jahr. Bei allen Drehbuchentwürfen handelt es sich also um Transformationen eigener literarischer Texte.
Über die im weiteren näher vorgestellten drei Drehbuchprojekte hinaus finden sich im Nachlaß Bachmanns verschiedene Einzelblätter, die in der Registratur ebenfalls der Kategorie Drehbuch zugeordnet sind, sich dabei aber nicht näher einordnen lassen. Während sich - wie später ausgeführt - für das Filmprojekt zu Der gute Gott von Manhattan konkrete Pläne zur Produktion rekonstruieren lassen, ist dergleichen bei den anderen Entwürfen nicht nachweisbar. [...]
In kritischer Abgrenzung von der oben angeführten Definition, die die pragmatische Komponente des filmischen Schreibens im Hinblick auf eine Verfilmung des Textes hervorhebt, ist vor allem die Transformation der unvollendeten Erzählung Portrait von Anna Maria interessant. In Interviews, in denen Bachmann das Drehbuchprojekt erwähnt, benennt sie weder den grundsätzlichen Wunsch, ein Drehbuch zu schreiben, noch erwähnt sie einen dahingehenden Auftrag. Motiviert wurde die Umarbeitung des Textes vielmehr durch die Auffassung der Autorin, daß das Thema der Erzählung eine filmische Darstellung fordere. So heißt es in einem Interview aus dem Jahr 1962:

BACHMANN [...] Es ist so, daß ich vor einigen Jahren versucht habe, eine Erzählung zu schreiben, die mir immer wieder mißglückt und mißlungen ist, und ich habe lange Zeit nicht verstanden warum und bin dann darauf gekommen, daß es etwas ist, das sich nur zeigen läßt, und daß es ein Film ist.

Auch in einer Interviewäußerung vom Mai 1965 bezieht sich Bachmann wahrscheinlich auf den bereits früher erwähnten Arbeitsprozeß und stellt heraus, daß unterschiedliche Themen jeweils verschiedene Formen der literarischen Umsetzung erfordern:

GRASS Sie haben Gedichte, Erzählungen, Hörspiele, ein Libretto und ein Ballett geschrieben, ein Roman ist in Arbeit. Worauf führen Sie Ihre Mannigfaltigkeit zurück?
BACHMANN Manchmal will ich eine Kurzgeschichte schreiben oder ein Hörspiel machen, und plötzlich merke ich, daß etwas anderes daraus wird. So bin ich auch einmal zu einem "Drehbuch" gekommen. So fand ich auch zu meinem ersten Roman. Es ist so als würde sich alles in einem Kreis abspielen, verstehen Sie mich? Die Möglichkeiten müssen nur erfaßt und richtig bearbeitet werden. [...]


In der folgenden vergleichenden Analyse von Erzählung und Drehbuchentwurf ist die Frage zu stellen, worin für die Autorin die nur zeigbaren und damit nur filmisch darstellbaren Aspekte des Themas liegen. Im Anschluß daran soll überprüft werden, ob die Definition, nach der das filmische Schreiben in Zusammenhang mit der Erstellung einer zu verfilmenden Textvariante vorrangig durch seinen pragmatischen Aspekt beschrieben wird, einer Erweiterung bedarf.
[1]

Intermedialität und intermediale Prozesse in Werk und Rezeption
Ingeborg Bachmann, Rom 1962, No 1
Ingeborg Bachmann, Rom 1962, No 2
Ingeborg Bachmann, Rom 1962, No 3
Ingeborg Bachmann, Rom 1962, No 4
Ingeborg Bachmann, Rom 1962, No 5
Rom 1962, No 1
Rom 1962, No 2
Rom 1962, No 3
Peter Lang Verlag
[= Bochumer Schriften zur deutschen Literatur, Bd. 63]
Frankfurt am Main 2004
 
294 Seiten
ISBN 3-631-51912-5
Preis 51,50 €
 
 
Buchbesprechung: Forum-Link Kleine Bibliothek

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[1] Aus dem Kapitel: "Schreiben für den Film: Drehbuchprojekte Ingeborg Bachmanns", in:
  Andrea Kresimon: Ingeborg Bachmann und der Film. Intermedialität und intermediale Prozesse in Werk und Rezeption.
  Peter Lang Verlag [= Bochumer Schriften zur deutschen Literatur, Bd. 63], Frankfurt am Main 2004, S. 163 - 165f.
  Ich danke ganz besonders der © Autorin und dem Peter Lang Verlag, Frankfurt für die freundliche Unterstützung und
  ihrer Genehmigung zur Publikation.
    © Ricarda Berg, erstellt: Mai 2005, letzte Änderung: 07.03.2024
http://www.ingeborg-bachmann-forum.de - E-Mail: Ricarda Berg