 
  Paul Zsolnay Verlag 
      Wien 1999 608 Seiten 
ISBN 3-552-04927-4 | 
     Zwischen noch-nicht-geschriebenen und schon-geschriebenen »Todesarten« schwankend, bezeichnet dieser Kommentar genau jenen 
      uneindeutigen Status, der dem Konvolut hinterlassener Prosafragmente, Romanentwürfe 
      und Erzählansätze zukommt, an denen die Autorin seit etwa 1963/64 
      gearbeitet hat. Das Gesicht, das diese Entwürfe bei einer posthumen 
      Publikation erhalten, ist damit nicht allein von den in jüngster Zeit 
      ohnehin immer hitziger debatierten editorischen Grundsätzen (Bearbeitungsabstinenz 
      versus Vervollständigung) abhängig. Darüber hinaus geht es 
      hier speziell um die Frage des Umgangs mit Hinterlassenschaften, die, als 
      geplante Fortsetzung des ersten publizierten Romans deklariert, doch 
      zugleich deren Vorarbeit darstellen. Von einer 'Fortsetzung', die 
      fertig sei, an der aber noch viel korrigiert und umgeschrieben werden müsse, 
      hat Bachmann selbst Ende 1971 gesprochen und im folgenden gegenüber 
      der Öffentlichkeit an dieser Version festgehalten. Das belegt noch 
      ihre Erklärung im Mai 1973: "Für die nächsten zwei Bände 
      weiß ich schon, wie es weitergehen wird, weil ich sie 
      schon geschrieben habe, und zwar vor dem ersten Band." Daß in 
      der Zeit zwischen den beiden zitierten Erklärungen offensichtlich aber 
      keine Weiterarbeit an den »Todesarten« im Sinne einer Um- oder 
      Fortschreibung des Vorliegenden stattgefunden hat, deutet zugleich auf den 
      nicht ganz klärbaren Status dieser Version. Tatsächlich war der 
      Abbruch vorausgegangener Manuskripte und der damit je verbundene Übergang 
      oder Wechsel zu einem anderen Projekt ja stets mit konzeptionellen Problemen 
      oder einem Ungenügen an der eigenen Schreibweise verknüpft - und 
      deren Bearbeitung stand noch aus. Wenn man Bachmanns Hinweis auf das 'noch 
      nicht geschriebene Buch' ernst nimmt, dann bezeichnet der Titel »Todesarten« 
      eine Leerstelle, die durch »Malina« und die 1000 Seiten Fragmente 
      umschrieben wird. 
       Jede Edition ihres Nachlasses steht somit 
      vor der Herausforderung, mit dem uneindeutigen Autorkommentar zum überlieferten 
      Textmaterial - zwischen fertig und noch-umzuarbeiten 
      - umzugehen. In jedem Fall gilt es, ein work in progress zu würdigen, 
      ohne die offenen Probleme, für die die Autorin selbst (noch?) keine 
      Darstellungsform gefunden hatte, durch eigene Lösungen
      zu schließen.   Die Herausgeberinnen der vierbändigen Werkausgabe 1978, die bald nach der ersten Sichtung des Nachlasses konzipert wurde, entschieden sich dafür, den publizierten Roman durch die beiden am weitesten gediehenen Romanmanuskripte zu ergänzen, den Franza-Roman und den Fanny-Goldmann-Roman, um die literarische Bedeutung des gesamten »Todesarten«-Plans deutlich zu machen  [1]. Dadurch entstand in der Rezeption die Vorstellung, die drei Romane bildeten den (nicht fertiggestellten) »Todesarten-Zyklus«. In Opposition zu dieser Ausgabe hat sich das voluminöse Vorhaben einer kritischen Edition des »Todesarten-Projekts« (1995) dagegen das ehrgeizige Ziel gesetzt, dessen vollständige Entstehungsgeschichte, Bauplan und Textgenese zu rekonstruieren. Der Versuch, »dieses großangelegte Projekt erzählender Prosa [...] in seiner überlieferten unvollendeten Form«  [2] umfassend darzustellen, der prardoxe Versuch also, ein Archiv von unfertigen und abgebrochenen Prosafragmenten lückenlos zu dokumentieren, mußte dabei in die Übererfüllung der gesteckten Aufgabe münden. Wenn man sich dagegen an die Angabe der Autorin über die geplante Fortsetzung mit zwei Bänden hielte, müßte die entsprechenden Ausgabe auf eine editorische überarbeitete, textkritische Ausgabe von »Malina« plus zwei Roman-Fragmente hinauslaufen. Eine Alternative wäre die Edition des gesamten zugänglichen Nachlasses, eine Lösung, bei der die Entscheidung der Herausgeber, welche Texte man dem »Todesarten«-Projekt zuordnet, sich nicht mit ihrem editorischen Ehrgeiz vermischen müßte. Was aber realiter entstanden ist, ist konsequenterweise ein Zwitter: eine Teiledition des zugänglichen Teils des Nachlasses unter dem Titel der »Todesarten«. Für das Bestreben, eine möglichst umfangreiche Menge der Hinterlassenschaften zu editieren, mußte die Aufnahme der einzelnden Fragmente an die Deklaration, >Bestandteil< des Todesarten-Projekts zu sein, geknüpft werden. Insbesondere die Aufnahme der Texte aus den fünfziger Jahren, des Berlin-Essays »Ein Ort für Zufälle« und der Erzählungen »Simultan«, die Bachmann als »Seitenstücke« ihrer Arbeit an den »Todesarten«-Romanen ausdrücklich aus diesem Projekt herausgenommen und als eigenständigen Band veröffentlicht hat, und deren Subsumierung unter ein einziges Projekt dem Titel »Todesarten« lassen sich durch nichts rechtfertigen.  [3] |