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| »Über Grenzen sprechend« | |||||
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Ingeborg Bachmann Marie Luise Kaschnitz - Hilde Domin - Nelly Sachs |
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| Die Briefwechsel |
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| Herausgegeben von Barbara Agnese. Mit einem Vorwort von Hans Höller. Mit Fotografien und Faksimiles |
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| Suhrkamp Verlag, Berlin 2023. | |||||
| 364 Seiten - ISBN: 978-3-518-42609-8 | |||||
| Ingeborg Bachmann stand mit zentralen Protagonistinnen der deutschsprachigen Literatur in Kontakt. Ihre Briefwechsel mit Marie Luise Kaschnitz, Hilde Domin und Nelly Sachs, die hier erstmals zugänglich gemacht werden, geben einen eindrucksvollen Einblick in die Lebensbedingungen, das literarische Schaffen, die Poetik und das politische Engagement schreibender Frauen nach 1945. Über Generationen und Grenzen hinweg entstehen zwischen den Briefpartnerinnen unterschiedliche Beziehungen: die in Rom beginnende Freundschaft Bachmanns mit Marie Luise Kaschnitz, die pragmatische Zusammenarbeit mit Hilde Domin und das lyrische Gespräch mit Nelly Sachs. Gemeinsam ist den Briefwechseln vor allem die Frage, wie nach der Shoah weitergelebt und weitergeschrieben werden kann. Der Kommentar erläutert die Briefe vor dem Hintergrund von Zeitgeschichte und Literaturbetrieb und versucht, von heute aus, die Werke dieser Autorinnen miteinander ins Gespräch zu bringen. | |||||
| Leseprobe | |||||
| Leseprobe: Hans Höller: Vorwort, S. 7 - 11; Briefe Bachmann - Kaschnitz, S. 17 -19. | |||||
| [...] Einen ganz anderen Eindruck vermittelt Bachmanns Briefwechsel mit Hilde Domin, die erst 1954 aus dem mehr als zwanzigjährigen Exil in ein ›Deutschland‹ zurückkehrte, das sie mit Bachmann und Günter Eich assoziiert hatte und das es nicht mehr gab oder nie gegeben hat. Die späte Remigrantin fand zu Bachmann keine nähere Beziehung, aus den Briefen ist herauszulesen, wie Bachmann dem persönlichen Umgang mit Domin immer mehr auswich. Sie verstanden einander anfänglich bei einem Projekt spanischer Übersetzungen von Bachmann-Gedichten, aber als Domin sie für die Zusammenarbeit bei literaturdidaktischen Vorhaben in Schulen gewinnen wollte, lehnte sie dies ab und entzog sich mit der ihr eigenen List und Ironie. Bachmann hatte die studentischen Seminare zu ihren Poetikvorlesungen an der Universität Frankfurt am Main im Herbst und Winter 1959/60 als ein einziges Scheitern erlebt, da die Studentinnen und Studenten methodisch-pragmatische Anleitungen zum Literaturverstehen erwartet hatten. Dass diese Beziehung auseinanderging, ist auch deshalb zu bedauern, weil Domin eine äußerst aufmerksame Bachmann-Leserin war. Sie dachte bei der Rückkehr nach ›Deutschland‹ sofort an den Lyrikband Die gestundete Zeit und wollte ihn sich besorgen, was 1954 alles andere als einfach war. Sie war in der Weltliteratur belesen und hörte aus Bachmanns Gedichten die Stimmen der anderen Dichter heraus, die von Shakespeare vor allem, auf den sich Bachmann noch einmal in einem dichten Gewebe von Verweisen in ihrem Gedicht Böhmen liegt am Meer bezog. | |||||
| aus dem Vorwort [1] | |||||
| Buchbesprechungen | |||||
| Deutschlandfunk / 21.08.2023 - Helmut Böttiger | |||||
| "Etwas schmuddelig" - Ingeborg Bachmanns Briefwechsel mit drei Kolleginnen. | |||||
| "Im letzten Jahr hat der Briefwechsel zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch für
erhebliches Aufsehen gesorgt. Nun schieben die Herausgeber in der sogenannten "Salzburger Ausgabe" der Werke Ingeborg Bachmanns ein weitaus dünneres
Bändchen nach. Es enthält gleich drei Briefwechsel Bachmanns, und zwar mit ihren
äußerst unterschiedlichen Kolleginnen Marie-Luise Kaschnitz, Hilde Domin und Nelly
Sachs. Natürlich sind auch kleinere Briefwechsel wichtig, auch wenn sie zunächst eher unscheinbar wirken. Wenn jetzt die Korrespondenz Ingeborg Bachmanns mit ihren Kolleginnen Marie Luise Kaschnitz, Hilde Domin und Nelly Sachs in einem Band zusammengefasst werden, handelt es sich, wie Marie Luise Kaschnitz einmal in einem anderen Zusammenhang ironisch bemerkt, also um eine "Damenkapelle" – als sie mit den beiden einzigen anderen weiblichen Mitgliedern der Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung gemeinsam auftreten sollte, machte sie sich mit diesem Wort darüber lustig. Der Briefwechsel Bachmanns mit Kaschnitz ist im Vergleich zu den beiden anderen tatsächlich etwas ergiebiger, es handelte sich offenkundig um eine engere Freundschaft. [...] Im Vergleich zur Freundschaft mit Marie Luise Kaschnitz blieb Bachmanns Beziehung zu Hilde Domin von vornherein aufs Berufliche und Betriebliche beschränkt – es existieren einige Werbebriefe Domins, aber nur vier kurze Schriftstücke Bachmanns an Domin, und sie reagierte dabei auf Anthologieprojekte der umtriebigen Kollegin. Bachmann blieb distanziert, und das lag nicht nur an ästhetischen Unterschieden. Sie ahnte vielleicht, wie Domin wirklich über sie dachte. In den insgesamt sehr ausführlichen Anmerkungen wird aus einem Brief Domins an ihren Mann nach einem Treffen mit Bachmann 1957 in Frankfurt zitiert: "Von 7-11 mit der Bachmann im Kaffee. Und ganz enttäuscht. Ein einsames, unglückliches Geschöpf, etwas schmuddelig. Merkwürdig unvital, irgendwie. Auch unzugänglich, obwohl auftauend. Nichts Glänzendes. Nichts Charmantes. Sehr österreichisch. (Aber nicht wie die Aichinger.) Trotzdem irgendwie sehr nett. Erst 31." |
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| Tagesspiegel / 14.11.2023 - Tobias Schwartz | |||||
| "Im Einklang stehn mit jedem Ort". Briefe von Ingeborg Bachmann. | |||||
| "[...] Ein jetzt im Rahmen der Salzburger Bachmann-Werkausgabe erschienener Band mit dem klingenden Titel „Über Grenzen sprechend“ versammelt jetzt die Korrespondenz Bachmanns mit drei der berühmtesten deutschsprachigen Dichterinnen der Nachkriegszeit. Die erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Briefe von und an Marie Luise Kaschnitz, Hilde Domin und Nelly Sachs haben insgesamt einen Umfang von nicht einmal 100 Seiten, Nachwort, Stellenkommentar etc. nicht mitgerechnet.br>Nun ist es glücklicherweise nicht (oder nicht immer) die Quantität, die den Ausschlag gibt, wenn es um Bedeutung geht, sondern der Inhalt – in Briefen geht es weniger um die Form. Tatsächlich sind diese kleinen Briefwechsel nicht weniger als Brühwürfel einer zweiten Moderne und einer Mentalitätsgeschichte der Nachkriegszeit. Der Titel des Bandes basiert auf Bachmanns Gedicht „Von einem Land, einem Fluß und den Seen“ aus der Sammlung „Die Anrufung des großen Bären“: „Wir aber wollen über Grenzen sprechen,/ und gehen auch Grenzen noch durch jedes Wort:/ wir werden sie vor Heimweh überschreiten/ und dann im Einklang stehn mit jedem Ort“, heißt es da. über räumliche und sprachliche Grenzen hinweg kommunizierten auch die Dichterinnen. [...] Sie alle einte eine distanzierte und kritische Haltung gegenüber Deutschland – und im Falle Bachmanns natürlich auch gegenüber Österreich. Sie alle kannten Adornos Diktum (aus dem Aufsatz „Kulturkritik und Gesellschaft“), nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, sei barbarisch. [...] Ihre Lyrik fußt auf den ideellen und materiellen Trümmern, die der zweite Weltkrieg hinterließ – und erweist sich heute wieder als geradezu erschütternd aktuell. Ihre Korrespondenz bietet nicht nur Einblicke in eine genuine und überindividuelle „Nachkriegspoetik“, sondern auch in ihre Leben und Lebensbedingungen, die Stoffe für ganze Romane bieten." |
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| Jüdische Allgemeine / 14.08.2024 - Daniel Hoffmann | |||||
| Poetische Lösungen gesucht | |||||
| [...] Es überrascht nicht, dass die Briefe sich insgesamt durch eine lyrisch geschlossene Form auszeichnen, in der sie wie literarische Perlen der jeweiligen Briefpartnerin üersendet werden. Denn diese vier Autorinnen sind die repräsentativen Lyrikerinnen der Nachkriegszeit. Jede Briefpartnerin Bachmanns hat ihren ganz eigenen Ton. Kaschnitz, die in den 50er-Jahren mit ihrem Mann, dem klassischen Archäologen Guido Kaschnitz, in Rom lebte, lernte Bachmann dort kennen und kam persönlich oft mit ihr zusammen. Deshalb ist ihr gemeinsamer Briefwechsel auch persönlicher, in einem vertrauten Tonfall gehalten.
[...] Domin und Sachs kannten Bachmann hingegen nur von gelegentlichen Zusammentreffen. Allen ist jedoch der Wunsch gemeinsam, poetische Lösungen für die Probleme ihrer Zeit zu finden. [...] Kaschnitz mochte dem Terror, dem Domin, aber auch sämtliche Mitbewohner ihrer ersten Heidelberger Adresse ausgesetzt waren, zunächst keinen Glauben schenken.
Dieser Teil ist ebenso erschütternd zu lesen, wie die antisemitische Wahnwelt, in der Nelly Sachs in den letzten Jahrzehnten ihres schwedischen Exils leben musste. Der feine, äußerst zerbrechliche Tonfall von Nelly Sachs' Briefen ist ein trauriges Zeugnis ihres bis zuletzt gefährdeten Lebens, dem sie jedoch ein bedeutendes lyrisches Werk hat abringen können. Domin hingegen engagierte sich für ein über Gedichte und ihre verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten vermitteltes, groß angelegtes, in Schulen und Bildungseinrichtungen veranstaltetes und in Anthologien publiziertes pädagogisches Aufklärungswerk, in dem die politischen Verwerfungen der vergangenen Jahrzehnte durch deutsche und europäische Gedichte zur Sprache kommen sollten. In der scheuen, häufig an sich selbst zweifelnden Bachmann fand sie jedoch keine einsatzfreudige Mitstreiterin. Es überrascht nicht, dass in einer von Männern dominierten Gesellschaft und Kulturlandschaft Frauen eklatante Schwierigkeiten hatten, sich Gehör zu verschaffen. »ies ist ein unerhört kompliziertes Land für eine Frau, die etwas leisten will. Fast unmöglich.« Das schreibt Domin am 12. Juli 1965 an Bachmann, der wiederum von einem Freund und Schriftstellerkollegen eine »hypermännliche Intelligenz« attestiert wurde. In längst vergangenen Jahrzehnten wurde diese Formulierung noch umstandslos verstanden. Heute erscheint sie in ihrer Lächerlichkeit wie eine Contradictio in adjecto." |
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| Pressespiegel | |||||
| Perlentaucher - Kultur und Literatur Online: | |||||
| "Über Grenzen sprechend". Ingeborg Bachmann - Hilde Domin, Marie Luise Kaschnitz, Nelly Sachs - Die Briefwechsel. |
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| [Zu Rezensionen aus: Deutschlandfunk - 22.08.2023; Deutschlandfunk Kultur - 26.08.2023] | |||||
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| Information zu dieser Seite: | Zeichenerklärung: |
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| [1] | »Über Grenzen sprechend«.Ingeborg Bachmann Marie Luise Kaschnitz - Hilde Domin - Nelly Sachs. Briefe. Salzburger Bachmann Edition. Hrsg. von Barbara Agnese. Mit einem Vorwort von Hans Höller. Mit Fotografien und Faksimiles. Suhrkamp Verlag, Berlin 2023, | |
| Vorwort Hans Höller, S. 9. | ||
| © Ricarda Berg, erstellt:
Juli 2025, letzte Änderung:
21.12.2025
http://www.ingeborg-bachmann-forum.de - E-Mail: Ricarda Berg |
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